Schuhwerk

Der Eine erklärt den Freizeit-Turnschuh beim Bergwandern für völlig ausreichend, der Nächste beteuert man brauche im Flachland schon einen richtigen Wanderstiefel. Und beide haben ihre Erfahrungen gemacht und wissen wovon sie reden. Was also nehmen?
Nun, Dein Schuhwerk muss in Deinem Gelände für Dich tauglich sein. Und da hast Du sicher bereits Deine Erfahrungen – für die einfache Tagestour in Dir bekanntem Gelände ist also alles recht simpel und bedarf keiner weiteren Betrachtung.
Drei neue Anforderungen
Spätestens beim Fernwandern kommen allerdings drei neue Anforderungen hinzu: Erstens begibst Du Dich in Dir noch unbekanntes Gelände, und hast somit keinen Schimmer in wie weit z.B. ein eventuell vorhandener Leichtwanderschuh diesem Rechnung tragen wird. Zweitens kennst Du die kommende Wetterlage nicht: Dein Schuh mag zwar für einen nassen Tag genügen, aber auch eine ganze Woche auf vielleicht nassen, schlammigen Wegen? Und drittens wiegst Du Dank Rucksack plötzlich ein paar Kilo mehr.
Unabweisbarer Fakt: Ein halbhoher Schuh stützt weniger als ein vergleichbarer hoher Schuh; Ein hoher Schuh vermag mehr Halt zu bieten. Sei Dir bewusst, dass greifst Du zu einem Halbschuh Du Deinem Fuß mehr abverlangst – und das durch das erhöhte Gewicht auf Deinem Rücken gleich doppelt. Ich würde Dir daher dringend empfehlen zu einem Stiefel statt einem Halbschuh zu greifen, so dass Du Deinem höheren Gewicht und der sicher ungewohnten Anstrengung auch etwas entgegen stellst. Und ich würde auch nicht nur zu einem hohen Schuh raten, sondern auch zu einer nochmals steiferen Sohle als Du beim Anprobieren richtig findest: Für eine leichtere Biegung wird das zusätzliche Gewicht auf Deinem Rücken schon sorgen.
Kategorie A bis D?

Es scheint sich die Kategorisierung von A bis D der Firma Meindl bei Wanderschuhen bewährt zu haben: A ist hierbei eher der Freizeitschuh, A/B der Leichtwanderschuh, B für Trekking, B/C fürs Bergwandern, C fürs Hochgebirge und D fürs Extreme zu sein. Diese Einteilung scheint auch mir gelungen zu sein, die entsprechenden Schuhe passend einsortiert. Entgegen YouTube & Blogs: Die Hersteller wissen, was sie für welchen Einsatzzweck anbieten. Und wer wie ich gerne auch mal auf felsigem Grund unterwegs ist darf auch bei einer Tagestouren durchaus zu B oder B/C greifen…
Ich für mich habe herausgefunden, dass ein Leichtwanderstiefel (Kategorie A/B, Preisklasse +200 €) sich zwar zunächst super anfühlt, aber im langfristigen Einsatz selbst auf einfachsten Wegen unkomfortabler sein kann als ein schwerer, steiferer Bergwanderstiefel der Kategorie B/C. Zudem musste ich schon zwei Paar teure Leichtwanderstiefel ausrangieren, da vielleicht Geröll diese an verschiedenen Stellen zerschnitten hatte. Stand Sommer 2020 besitze ich einen Leder-Trekkingstiefel der Kategorie B/C, und einen Leichtwanderstiefel der Kategoerie A/B. Müsste ich auf einen der beiden verzichten, so wäre das der Leichtwanderstiefel: Ein B/C-Trekkingstiefel ist universeller, trägt dem von mir gerne begangenen Gelände mehr Rechnung, und besitzt auch einen umlaufenden Geröllschutz (!).
Outdoorsandalen
Es gibt spezielle Outdoorsandalen, mit denen man auch Wanderungen unternehmen können soll. Ich besitze solche, und unter allen Sandalen die meine Füße je trugen sind das auch klar die Besten. Doch jenseits 10 Kilometer will ich diese nicht tragen, der Halt darin ist mangels Material am Fuß stets geringer als bei geschlossenen Schuhen: Um so länger die Strecke wird, um so mehr spürt man dies. Und auch wenn man welche mit ordentlicher Kappe an den Zehen wählt: Mir ist es schlicht zu doof alle paar Hundert Meter wieder ein Steinchen herauszupulen… Und so fristen meine Wandersandalen ihr Dasein nunmehr als gewöhnliche Freizeitsandalen. Apropos Steinchen im Schuh: Auch hier ist der Stiefel ganz klar dem halbhohen Schuh überlegen.
Ich habe gehört…
Wanderprofis sagen gerne, das mit den Stiefeln wäre Unsinn; Trailrunners habe man heute, und sie seien damit viel besser unterwegs. Nun: Um so häufiger Du wanderst, um so weniger wirst Du auf einen helfenden Schuh angewiesen sein. Das ist eine Frage der Fitness und der Gewohnheit – und m.E. auch der Risikobereitschaft: So macht es z.B. absolut Sinn das Sprunggelenk in felsigem Gelände zu schützen, und nicht ohne Grund ist bei Wanderstiefeln ab Kategorie B/C ein umlaufender Geröllschutz vorhanden. Und an zahlreichen matschigen Passagen meiner Touren wäre ein halbhoher Schuh auch keine Freude gewesen – den Schmodder häte ich fortan im Schuh gehabt. Ganz zu schweigen von kleinen Steinchen, die so viel seltener den Weg ins Schuh-Innere finden. Solch pauschale Aussagen mögen vielleicht für jene gelten, taugen aber ganz sicher nicht als Empfehlung für die Allgemeinheit. Weiter: Dein Körper kann über viele Jahre viel ausgleichen. Aber eben nur über viele Jahre, die irgend wann vorbei sein werden. Bei unüblichen Belastungen halte ich es daher für eine gute Idee dem ganz bewusst etwas entgegen zu setzen. Bei vielen die den Stiefel ablehnen und leichteres propagieren stelle ich beim Forschen nach dem Warum letzten Endes ganz simpel Fehler bei der einstigen Wahl des Stiefels fest: Druckstellen oder Blasen bekommt man mit dem passenden Modell schlicht nicht wegen des Schuhs. Für mich sind jene "Turnschuhe" auch topfit für unbekanntes Gelände nicht einmal eine Überlegung.
Auswahl, Preis & Gewicht

Einen Schuh fürs Wandern kauft man nicht online: Vielmehr will man absolut alle Modelle der auserkorenen Kategorie, die ein Händler vorrätig hat, anprobieren, und davon jenen wählen, der einem am Besten passt. Ein empfundenes „passt doch“ zu einem bestellten Exemplar ist hier zu wenig. Online gefundene Bewertungen mögen für jene gelten die sie schrieben – für Deine Auswahl sind sie jedoch völlig irrelevant und gänzlich ohne Aussage. Und ob der Auserkorene nun teuer oder günstig ist – hier irgend etwas sparen zu wollen ist eine richtig blöde Idee. Nach meiner Erfahrung kostet ein brauchbarer Wanderstiefel dann allerdings stets 180 € aufwärts… Fernwandern ist leider nicht billig.
Neben dem Rucksack ist der Wanderstiefel der einzige Ausrüstungsgegenstand, bei dem ich rate dem Gewicht keine Priorität zu geben: Hier hat der Komfort absolute Vorfahrt. Dass man beim Schuh durch geringes Gewicht viel Energie einsparen und daher ermüdungsfreier viel weiter laufen könne kann ich aus meiner Praxis absolut nicht bestätigen: Sollte tatsächlich der Schuh beim Tagespensum das Limit setzen, so ist es ganz einfach nicht die richtige Kombination aus Socke, Schuheinlage und Schuhmodell. Tragekomfort ist ein "must have", ein geringeres Gewicht hingegen ein "nice to have".
Einlagen?
Gedenkst Du andere statt den mit einem Schuh gelieferten 0815 Einlagen zu verwenden, so hast Du diese beim Schuhkauf dabei. An Einlagen denkt man dabei nicht nur als Fußkranker, vielmehr lässt sich hierüber u.a. Halt und Dämpfung verbessern: Wem z.B. gerne mal Abends die Gelenke schmerzen könnte nach Einlagen suchen, die an Ferse und Ballen ein Gelpolster aufweisen (meine eigenen Tests mit Geleinlagen sind umgekehrt: erst mit solchen tun mir Abends die Gelenke weh…). Und selbst wenn man meint alles wäre auch mit den mitgelieferten Standard-Einlagen super: Ich war erstaunt festzustellen wie viel ermüdungsfreier eine 30 Kilometer Etappe mit den passenden Einlagen werden kann. Einlagen sollte man also noch vor dem Schuh organisieren (und ggf. auch zurechtschneiden). Es macht m.E. auch bei völlig gesunden Füßen und ganz ohne Probleme absolut Sinn in eine kleine Auswahl hochwertiger Einlagen zu investieren, und diese ganz einfach auf mehreren (!) Tagestouren auszutesten. Denn das was da mit egal welchem Schuh geliefert wird ist ganz sicher nicht das Ende der Fahnenstange. Das Finden der Richtigen ist allerdings kein triviales, dafür aber ein doch recht teures und langwieriges Unterfangen; Denn jede Kombination aus Einlage, Wanderschuh, Socken, Streckenlänge und Untergrund kann zu ganz anderen Ergebnissen führen…
Socken
Beim Schuhkauf trägst Du natürlich Deine Wandersocken! Socken für Wanderschuhwerk existieren nicht ohne Grund, und sind an belasteten Stellen ein wenig besser gepolstert als gewöhnliche. Billig sind sie nicht, aber leider auch nicht optional. Trägst Du einen Stiefel brauchst Du vermutlich auch im späten Herbst oder frühen Frühling noch keine wärmende Ausführung, sondern suchst eher eine kühle Variante. Tips von mir wäre ein Blick auf die Serie „TK2 Cool“ von Falke, sowie „Hiking“ oder „Trek-Power“ von Rhoner.
Solche Socken altern nicht nur in dem sie dünner bis löchrig werden, sondern auch in dem sie zwar kaum merklich, aber eben doch ein wenig ausleiern; Und das scheuert dann gerne im Schuh und kann zu Blasen führen. Bei mir dürfen Socken auf Wanderungen daher maximal zwei Jahre alt sein. Feiern sie dann ihr Zweijähriges, verbringen sie ihren Lebensabend als super Wintersocken.