9. Etappe:Lorch – Baltmannsweiler
Video: Etappen 9-11
Checkliste
Region | Schurwald |
Länge | 28,4 km |
rauf & runter | ↑ 660 m, ↓ 490 m |
GPX Track | 09.gpx |
Datum | 27.04.2022 |
Wandernotizen
Der Frühlinge ist zu früh. Zwar "nur" zwei Wochen, aber dies mittlerweile leider doch recht zuverlässig. Ein weiterer Indikator, der dem Menschen mit Blick auf den Klimawandel zu Denken geben sollte. Für meine Wanderung ist das aber super, denn: Grün. Und das mag ich. Ich ziehe meine angestaubte Planung hervor, und stelle fest: So wie einst gedacht geht das nimmer, die grundlegende erste Übernachtung ist nunmehr erst ab zwei Nächten buchbar. Das Ende meiner zeitintensiven Umstrukturierung heißt: Die erste Etappe geht leider gleich an die 30 Kilometer, und ich kann aus zig Varianten unterschiedlichster Etappeneinteilungen wahlweise in zwei Tagen bis Esslingen, in vier bis Tübingen (alternativ auch 2+2 Tage mit einem Tag Unterbrechung), oder aber in vier oder fünf Tagen bis Rottenburg wandern. Drei Tage hingegen sind keine Option, da die aus dieser Konstellation folgende Ab- und Anreise recht ungünstig ausfällt. Aber da ohnehin fünf trockene Tage mit zunächst Wolken gefolgt von purer Sonne bei angenehmen 18°C angekündigt wurden, scheint mir dieses mal eine seltene Flexibilität für eine unbeschwerte Wanderung geboten zu sein. Doch es sollte anders kommen…
Mein Proviant ist dieses mal teils experimenteller Natur, denn für den Kauf von Backwaren erfolgt mein Start noch zu früh am Tag, und meine üblichen Hafer-Riegel sind ausverkauft. Und so befindet sich eine gute Anzahl diverser, mir völlig unbekannter Riegel im Rucksack. Die Zugfahrt ist überraschend entspannt: Während sonst in dieser Gesellschaft Corona kein Thema mehr zu sein scheint, ist es auf dieser Strecke wohl noch immer präsent: Diese Züge waren vormals massiv ausgelastet, nun sind sie gering besetzt. Lorch begrüßt mich kühl und feucht; Zwar nicht mir Regen, aber doch so, dass schnell alles klamm wird. Und auch meine Nase filtert reichlich Wasser aus der Luft. Der Himmel sollte aufklaren; Doch so richtig überzeugt scheint dieser vom Wetterbericht nicht zu sein, und macht sein eigenes Ding. Obligatorisch startet der Weg bergauf, und ich merke: Ich bin weder so fit wie gehofft noch wie gedacht. Oh weh, war die heutige Etappe nicht auch jene mit maximalen Höhenmetern? Ich stelle mich auf einen anstrengenden Tag ein.
Das erste Örtchen auf dem heutigen Weg nennt sich Rattenharz. Doch nicht der Name ist bemerkenswert, sondern die Tatsache, dass es sich deutlich über einen Kilometer der einzigen Straße entlang zieht: Hier wohnt jeder an der Hauptstraße. Und wie zuvor kennt auch der heutige Abschnitt alternativ gefundene Streckenführungen. Doch während bislang stets die längere Alternative der tatsächlichen Wegführung entsprach: Dieses mal darf ich die kürzeren Wege einschlagen. Immerhin.
Es gibt viel Asphalt und breite Wege. Als Entschädigung werden immer wieder weite Blicke offeriert: Links ein endlos scheinender Albtrauf, danach der Einschnitt des Neckars, voraus der Rücken des Schurwalds, und rechts von mir das Remstal mit Blick gen Stuttgart. Während Anfangs der weite Blick eher eine trübe Ahnung war, wurde dieser im Laufe des Tages zunehmend klarer.
Ich laufe an einer Unterkunft vorbei, die mich – nachdem ich nochmals erklärte auf einer Wanderung vorbei zu kommen – telefonisch wegen Überfüllung abwies. Mag man kaum glauben, denn hier ist nix los. Klar kann es sein, dass da heute noch ein Omnibus vorfährt; Aber kombiniere ich mit meinem telefonischen mit dem optischen Eindruck…: Hier will man keinen Wanderer für nur eine Nacht beherbergen, man spekuliert auf besseres. Solche Lokale jammern irgend wann, dass keine Touristen kommen. Ach! Echt?
Ich teste die ersten Riegel meines Proviants (und leere fast eine ganze Tüte Trail-Mix); Okay, der "Bergsteiger Riegel" darf künftig gerne wieder mit. Mit neuer Energie werden auch übelste Anstiege gemeistert. Allerdings denke ich mir bei den Anstiegen: Hätte ich doch nur zu jener Hose gegriffen, die mittels seitlichem Reißverschluss Belüftung bietet…
Und dann verlässt mich mein GPS; Nicht völlig, doch es meint die Ungenauigkeit betrage nunmehr 16 statt der üblichen 3 Meter. Das wäre noch immer absolut in Ordnung, doch real liegen meine Wege in rund einem halben Kilometer Entfernung! Messfehler im Wald sind nichts ungewöhnliches, aber hier an dieser Stelle sollte doch guter Empfang und eine sehr genaue Positionsbestimmung gegeben sein. Und die von einem GPS-Empfänger angegebene Genauigkeit kann man recht exakt ×3 nehmen, um die maximale reale Abweichung eines Messpunktes zu bestimmen. Nun aber befinde ich mich Faktor 10 vom theoretischen worst case entfernt. Unbrauchbar. Immerhin weiß ich nun: Ich kann mich noch immer gut anhand einer Karte orientieren, ganz ohne GPS-Empfang. Danke, Putin!
Das letzte Wegstück habe ich sogar gekannt: Vor Jahren hatte ich den Schurwald schon einmal komplett durchquert, und eben diese Route auserkoren. Schon damals empfand ich den Schurwald wenig reizvoll – lediglich die weiten Blicke sind heute ein Highlight. An einem Haus steht geschrieben: "Sei nicht traurig, wenn du kein Profi bist: Die Arche haben Amateure gebaut, Profis die Titanic." Und während ich noch über Sinnhaftigkeit sowie fließender Grenze zwischen Amateur und Profi grüble stehe ich auch schon vor meinem Zielort: Baltmannsweiler. Meine Unterkunft ist schnell gefunden, und das gebuchte Zimmer bezogen. Raus aus dem rechten Wanderstiefel erblicke ich eine kleine Blase; Gespürt hatte ich diese Stelle, doch wie immer: Es kam einfach nichts wo ich hätte Rast machen können um vorzusorgen. Diese ist nun auch nicht weiter schlimm, aber: Ich ertaste nun in jenem Schuh selbst die zugehörige Stelle, die zu scheuern vermag. Ob diese zu einem dauerhaften Problem wird, werde ich fortan beobachten müssen.
Mein Abendessen ist zwar wenig spektakulär und ohne Gemüse, aber von zweifelsfreier Qualität und Geschmack. Und zu meiner Überraschung gibt es hier sogar offene Weine von einem der Remstäler Ellwanger, sowie von Von Winning. Wow! Beide habe ich bislang nicht mal als Flasche in einer Gastronomie erblicken können.