Fernwandern: Tourenplanung
Du hast einen Fernwanderweg gefunden und Deine Ausstattung beisammen, würdest gerne los, weisst aber nicht so recht wie Du es anstellen sollst? Dann biste hier richtig. Eine Mehrtagestour auszutüfteln ist irgend was zwischen eigentlich ganz trivial (Zeug schnappen & los gehts) und richtig, richtig aufwändig (Anfahrt, Etappeneinteilung, Übernachtungsmöglichkeiten usw. wollen in Einklang gebracht werden). Hier mein üblicher Ablauf, garniert mit ein paar zusätzlichen Überlegungen:
Etappeneinteilung
Oft erlebe ich, dass Einsteiger einfach eine offizielle Etappeneinteilung übernehmen. Doch zu glauben jene Einteilung müsse ja irgend wie zu schaffen sein ist definitiv kein guter Gedanke! Mir ist noch kein erfahrener Fernwanderer begegnet der eine Einteilung einfach wie gegeben nimmt, alle machten sich ihre eigene Einteilung. Ich erlebte aber schon etliche, die eben wegen der Übernahme der Einteilung unterwegs die Flügel strecken mussten und aufgaben… Eine Etappeneinteilung ist stets etwas individuelles, und nur selten wird die offizielle auch zu einem selbst passen.
Überhaupt machbar?
Okay, das willste jetzt nicht lesen … aber: Viele Fernwanderwege in Deutschland sind als „thru-hike“ legal gar nicht oder nur für sehr sportliche mit ordentlich Durchbeissvermögen realisierbar, und dienen lediglich als Marketinginstrument einer Region; Heißt: Wer jeden Tag jenseits der 30 Kilometer mit Gewicht auf dem Rücken schmerzfrei laufen kann, kann das machen – aber nur sehr wenige sind hierzu tatsächlich in der Lage. Zwei Tageswanderungen an einem Wochenende lassen Dich einschätzen, welche Anstrengungen Du einzugehen vermagst. Wichtig hierbei: Es gibt keine Helden und keine Versager – aber es gibt Dich wie Du bist, und Du bist okay. Was Du zu leisten im Stande bist genügt, nur erwarte nicht von Dir jeden Weg gehen zu können. Ich empfehle Dir als erste Mehrtagestour auch nicht gleich 2 Wochen und 350 Kilometer anzugehen, sondern 3 Tage und gerne weniger als 40 Kilometer. Sammle Erfahrungen bestehend aus Erfolgen.
Kernproblem Infrastruktur
Meist scheitert die Umsetzbarkeit eines Fernwanderweges an der notwendigen Infrastruktur: Campingplätze befinden sich lieber an Straßen als an Wanderwegen, und selbst in Urlaubsregionen liegen die Hotels gerne derart ungünstig, dass sie für den Fernwanderer praktisch unerreichbar sind. Eine Pension ohne Essensgelegenheit in der Nähe ist ebenso untauglich wie das Hotel, das keine Einzelübernachtung zulässt. Und manche lehnen den Fernwanderer ganz einfach ab und schicken Dich fort. Als Fernwanderer bist Du fast überall eine irrelevante Minderheit. Nehmen wir nun einmal an, Du hast nicht vor illegal & wild zu nächtigen:
Oft gibt es zu einem Fernwanderweg Infomaterial von einem Touristikzentrum, spezielle Wanderkarten oder auch Reiseführer. Damit alleine hätte ich keinen meiner Wege hinbekommen, denn: Da steht meist nur drin, wofür Geld geflossen ist – und ist somit tendenziell unvollständig. Oft sind jene Informationen auch entsetzlich veraltet. Ergänzend kannst Du das nutzen, nicht aber als Grundlage. Die gewünschten Informationen erhältst Du besser frisch aus dem Internet:
Schritt 1: Karte der Möglichkeiten
Markiere in einer Karte den Verlauf des Weges, gerne auch Varianten dazu. Digital heißt das: GPX Track besorgen. Nun klappere alle Ortschaften ab, die maximal 5 Kilometer vom Weg runter bedeuten. Oft hilft es die Webseiten jener Städte zu besuchen: In aller Regel gibt es eine Rubrik „Tourismus“ mit den Übernachtungsmöglichkeiten. Trage diese auf Deiner Karte ein. Ganz wichtig: Auch deren Ruhetage notieren! Kontrolliere zudem, ob dort ein Abendessen erhätlich ist, und auch ob eine einzelne Übernachtung nicht ausgeschlossen ist. Hieraus ergibt sich bereits ein guter Eindruck hinsichtlich der möglichen Etappeneinteilung und erforderlichen Etappenlängen. Von Interesse sind hierbei auch die Bahnhöfe (Abbruchmöglichkeiten) und die Bäckereien (Proviant). Und ja, das ist viel Arbeit.

Schritt 2: Tourenmatrix erstellen
Du musst unterwegs umplanen können: Eventuell ist eine sicher geglaubte Übernachtung vor Ort hinfällig, vielleicht möchtest oder brauchst Du einen Pausentag, das Wetter ist böse oder Du bist doch viel fitter als gedacht – auf so einem Abenteuer kann und wird viel passieren. Eine Matrix der Möglichkeiten muss her: Ich reduziere daher nun obige Übernachtungsmöglichkeiten wieder soweit, dass maximal 4 an einem Flecken übrig bleiben. Von und zu diesen notiere ich mir z.B. in einem Tabellenprogramm alle sinnvollen Wandervarianten inkl. Etappenlängen. Einen solchen Plan habe ich ausgedruckt beim Wandern dabei (inkl. der Hotel-Telefonnummern, so dass ich Tags zuvor reservieren kann). Wichtig hierbei auch: Die Höhenmeter einer jeden Etappenmöglichkeit einschätzen, so dass Du eine Ahnung bekommst wie anstrengend es werden könnte. Und ja, das ist nochmals viel Arbeit.
Am Ende bleiben bei mir meist 2 bis 4 sinnvolle Etappenkombinationen. Manche Etappen bieten auch gar keine Alternativen, da weit und breit nur eine einzige Herberge existiert. An diesen müssen sich andere Etappen orientieren. Diese 2 bis 4 Schlussvarianten lassen sich nun super auf einem Blatt Papier als Etappenplan zusammenfassen.
Das Ergebnis…
… ist nun eine Karte und ein Etappenplan mit Möglichkeiten. Ich würde Dir empfehlen Übernachtungen nie weiter als einen Tag im Voraus zu reservieren (Wetter, Anpassung des Tagespensums). Damit sind auch moderne Angebote wie „Wandern ohne Gepäck“ hinfällig: Sie machen unflexibel.
Und selbst im Hochsommer plane ich nie länger als bis 17 Uhr unterwegs zu sein: Später wird es schnell, Dein Körper will nicht nur ausgebeutet werden, und Du willst auch noch etwas essen, das nächste Hotel anrufen, Klamotten waschen und vieles mehr…

Öffentlicher Personenverkehr
Gerne wird auch der öffentliche Personennahverkehr hinzugenommen um unterwegs ein Hotel zu erreichen; Ich für mich kann mir das allerdings gar nicht vorstellen, das Gefühl des Fernwanderns ginge mir ein wenig verloren. Eine Option ist es aber.
Kalkuliere auch nie mit dem letzten Zug oder dem letzten Bus eines Tages. Der kann ausfallen, und Du kannst Dich verspäten. Und besagt Dein Bahnticket Du wanderst um 12 Uhr los, dann schaue wann der darauf folgende Zug ankommen würde und kalkuliere mit jener Uhrzeit.
Leicht übersieht man, dass man den öffentlicher Personenverkehr durchaus auch mit dem eigenen KFZ kombinieren kann: Du kannst mit dem Auto zum Startpunkt, und Tage später nach Deiner Tour mit Öffis zum Startpunkt zurückkehren (IMO noch besser: Auto am Ziel abstellen, mit den Öffis zum Start und zurück zum Auto wandern).
Pausentage
Wanderst Du nicht alleine macht es bereits bei Touren länger als ~6 Tagen eventuell Sinn feste Pausentage vorab einzuplanen: Nicht alle verkraften die Anstrengungen beim Fernwandern gleichermaßen. Bei garantierten Pausentagen bekommen Schwächere die Chance ihren Akku wieder aufzuladen ohne das Gefühl zu bekommen anderen den Spaß zu verderben. Und auch der größte Wanderprofi läuft nicht monatelang ohne sich einen Pausentag zu gönnen. Sicher gibt es unterwegs genug zu sehen – vielleicht bietet sich sogar eine Bootsfahrt oder ein Tag mit einem gemieteten Kanu an? Fernwandern ist schließlich mehr als das Abhaken irgend eines Zielpunktes.