1. Etappe:Wertheim – Tauberbischofsheim

Video: Etappen 1-3

Checkliste

RegionTauberland
Länge24,5 km
rauf & runter↑ 550 m, ↓ 530 m
GPX Track01.gpx
Datum06.10.2021

 

Wandernotizen

Der „Hauptwanderweg 3“ des Schwäbischen Albvereins befand sich seit etlichen Jahren auf meiner Wunschliste – und war seit 2019 auch schon über ein gutes Stück fertig geplant. 2020 sollte ich für dieses Projekt endlich Zeit finden. Vielleicht auch mal ein Thru-Hike vier Wochen am Stück?

Dann kam alles anders. Beispielsweise die Corona Pandemie.

Die ist zwar auch im Herbst 2021 nicht überstanden, doch die Situation gestaltet sich zunehmend übersichtlicher; Zwar sind noch immer zu wenige geimpft, aber zum einen eben doch die Mehrheit, während die anderen ordentlich durchseucht wurden. Kombiniert mit Händewaschen und dem obligatorischen Mund-Nasen-Schutz in geschlossen bzw. verdichteten Umgebungen wird das Risiko einer Mehrtagestour auch aus meiner Sicht nunmehr vertretbar (vielen anderen reichte schon vergangenes Jahr „keine Ausgangssperre“ für legitimes Fernwandern). Und endlich zeigen zudem sowohl gewerbliches, als auch privates Umfeld grünes Licht; Doch mehr wie drei Tage sind privat noch immer nicht möglich. Aber da ich ohnehin völlig unfit bin … passt schon. Also schnell geprüft, ob meine vor Jahren herausgesuchten Übernachtungsmöglichkeiten die Pandemie ebenfalls überlebt haben, ein Anruf bei der ersten hiervon (die nachfolgende Nacht wird wie immer erst Tags zuvor gebucht), noch ein Bahnticket, und schon kann es losgehen. Das Packen des Rucksacks beanspruchte allerdings Zeit wie nie, trotz vorhandener Checkliste. Und das Wetter hat bereits begonnen sich auf das Ausklingen des Jahres einzugrooven.

Die Zugfahrt? Abgesehen von irren Fußwegen am HBF Stuttgart wegen Stuttgart 21 völlig unspektakulär. Einzig den Aufpreis für die 1. Klasse hätte ich mir sparen können: Zwei meiner drei Züge hatten keine, und bei jenem einen war die 1. Klasse eher ein Down-, denn ein Upgrade.

In Wertheim erwartet mich richtig ungemütliches Herbstwetter, sowie die Suche nach dem ersten Wegweiser. Und auch dieser ist: Völlig unspektakulär, und reiht sich in den bislang tristen Tag perfekt ein. Andere Regionen bauen Tore, bieten Stempelstellen oder stellen zumindest ein einem Trailhead würdiges Schild hin – hier gibt es: einen 0815 Wegweiser. Keinerlei Infos zum Weg, dessen Verlauf, Länge, Besonderheiten usw. – einfach nix. Marketing? Ich kann es gleich vorweg nehmen: Meinen Weg läuft außer mir wirklich niemand; Zwar werde ich anderen Mehrtäglern begegnen, aber eben nur dort, wo auch aktiver beworbene Fernwege parallel verlaufen.

Proviant wird beim Bäcker vor Ort geholt, und siehe da: Die Brezen nennen sich hier zwar Brezeln, sind aber eindeutig bayrischer Etikettenschwindel. Nun aber nix wie raus aus Wertheim, hier befinden sich deutlich zu viele Touristen und viel zu wenig Natur. Doch dieses Vorhaben hat es in sich: Mein Weg aus dieser Stadt ist auf voller Breite mit Sperrholzplatten zugenagelt. Und ich stehe davor und tüftle, wie ich diese Baustelle nun am Besten umgehe. Ein Bauarbeiter teilt mir darauf hin mit, wie man nun zur Burg gelangt ("ist doch beschildert"). Fein, aber ich habe keinen Schimmer, ob ich überhaupt zur Burg will… Wie sich kurz darauf heraustellt: Ich will. Die Burg selbst interessiert mich allerdings nicht wirklich, also gleich wieder raus aus dieser – und stehe nun vor einem Schild das mir mitteilt, dieser Weg wäre nur noch die folgenden 500 Meter begehbar, danach gesperrt. Ja weiß ich denn, ob ich diesem Weg noch 500 Meter folgen darf, mich diese weit entfernte Sperrung überhaupt betrifft? Ich finde noch eine Hinweistafel für Fernwanderer (hier gibt es zahlreiche Fernwege): Die Sperrung liegt auf meiner Route, aber ich darf einer Umleitung folgen. Super – eine beschilderte Umleitung für Fernwanderer dürfte tatsächlich Premiere auf meinen Fernwegen sein.

Das Wetter gestaltet sich hingegen weniger positiv: Von Regen über stürmisch und kühl bis hin zu sehr kurzen Lichtblicken gibt es alles, und ich habe keine Chance mich klamottentechnisch vernünftig hierauf einzustellen; Selbst meine sehr schnell an- und abgelegten Pulswärmer sind an einem solchen Hin- & Her Tag richtig lästig zu handhaben. Der Weg selbst ist wunderschön, doch noch schöner wäre er freilich bei besserem Wetter. Ich sinniere, ob ich nicht doch hätte ein anderes Zeitfenster abwarten sollen, komme aber zu dem Schluss: Richtig so, das lohnt auch bei diesem Wetter. Meine übliche Video-Doku leidet aber, es entstehen nur wenig Aufnahmen. Aber da am Wegesrand auch nichts von Weltrang wartet, bleibt die Natur unterwegs das einzige und wahre Highlight – dieser Weg ist kein Westweg oder Rheinsteig, es gibt keine Reizüberflutung; Viel mehr sagt der Weg „schau hin und entdecke mich“. Super, will ich. Die Beschilderung am Wegesrand hingegen ist Reizüberflutung in Perfektion, denn zig andere Fernwege haben einfach diese Route übernommen.

Mir fällt auf, dass die Böden dieser Region trotz verregnetem Frühling und Sommer noch immer viel zu trocken sind; Zwar befinde ich die Matschmenge an meinen Schuhen für durchaus ausreichend, doch im allgemeinen ist das Laub trotz Regen trocken und Bäche ausgetrocknet.

Als ich Tauberbischofsheim erreiche sind meine Füße Pudding: Weh tun sie nicht, aber die Energie ist aufgebraucht; Ich bin eben nahezu untrainiert gestartet. Mein Hotel befindet sich unmittelbar am Marktplatz, doch bei diesem handelt es sich derzeitig um eine einzige, große Baustelle. Kaum 5 Meter vor meinem Hotel stelle ich fest: Um hinein zu gelangen darf ich den Marktplatz einmal komplett umrunden – und schon habe ich mein Zimmer. Das Bad ist nicht das Neueste, aber ansonsten hinterlässt mein Hotel einen gänzlich positiven Eindruck. Allerdings gibt es hier & heute kein Abendessen: Schon bei der Buchung teilte man mir mit, dass eine geschlossene Gesellschaft die Gasträume belege. Mir werden eine Pizzeria (mit nachdrücklichem „wirklich richtig gut“) und ein Steakhaus empfohlen; Ich nehme das Steakhaus, welches brechend voll ist. Doch ich habe Glück: Da bei einer Reservierung die Esser nunmehr über eine halbe Stunde überfällig sind erhalte ich deren Tisch (sie werden etliches später doch noch erscheinen, aber wieder gehen). Ich bestelle Lammrücken, und stelle fest: Nie und nirgends habe ich besseres Lamm gegessen als hier; Da kommt selbst manche Sterneküche nicht bei. Mein regionaler, trockener Schwarzriesling ist ebenfalls von überraschender Qualität, und mein Nachtisch wird kombiniert: Heißer Espresso mit Vanille-Eiskugel. Superlecker. Dieses Restaurant war eine grandiose Empfehlung meiner Hotelrezeption!

Zufrieden geht es zu Bett. Gut wieder unterwegs zu sein – viel zu lange nicht mehr gemacht.

Bilder

Etappe 01: ein trauriger Trailhead in Wertheim Etappe 01: ein Stück des Weges Etappe 01: Ausblick an einem Pausenplatz bei Gamburg


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