2. Etappe:Tauberbischofsheim – Bad Mergentheim

Video: Etappen 1-3

Checkliste

RegionTauberland
Länge26,1 km
rauf & runter↑ 590 m, ↓ 580 m
GPX Track02.gpx
Datum07.10.2021

 

Wandernotizen

Es ist sicher kein fairer Vergleich: Nach einer erholsamen Nacht freue ich mich auf eine gute Tasse Tee zum Frühstück, und selbstverständlich gibt es diese auch in meinem Hotel; Doch während ich zu Hause zig „High End Darjeelings“ einer wochenlangen Blindverkostung unterzog, ist dieser hier von der Stange; Ich hatte doch tatsächlich bereits vergessen, wie sehr gewöhnlichen Schwarztees ein fischiges Aroma anhaftet. Das ist keine Freude.

Eine Bäckerei für das heutige Proviant ist schnell gefunden, und ich begebe mich auf meinen Trail. Der Morgen ist recht frisch, und so soll es diesen Tag auch bleiben. Dennoch wechsle ich keinen Kilometer später schon auf kurzärmelig … und auch mein Buff sowie Pulswärmer müssen Dank des obligatorischen allmorgendlichen Aufstiegs auf Fernwanderwegen nur Augenblicke später weichen. Oben angekommen erblicke ich ein Schild „Bismarckturm“, das mir ein paar Extra-Meter beschert; Doch vermutlich habe ich mich hierbei nur verlesen: Es ist lediglich eine Bismarcksäule, die dem Besucher keinerlei Aussicht bietet. Mir fällt auf, wie fremd mir jene Zeit doch ist … ich würde niemals eine öffentliche Person derart verehren, dass mir auch nur im Ansatz in den Sinn käme an der Errichtung eines solchen Altars auch nur mitzuwirken…

Der Weg heute ist erneut ein echtes Wanderhighlight: Immer wieder gibt es schöne Blicke, und selbst die Querung der Autobahn und so mancher Asphaltabschnitt vermag diesen Gesamteindruck nicht zu trüben. An einer Bank mache ich ein wenig Rast, doch: Hierfür ist es tatsächlich noch ein wenig kühl, und so bleibt diese Rast kurz.

Die heutige Etappe ist eigentlich recht bergig und anstrengend, doch nach einem gefühlt gar nicht so heftigen Anstieg stoße ich auf eine Wandergruppe im fortgeschrittenen Alter, die sich hier gerade versammelt. Sie bemerken, dass ich ganz schön fit wäre, so flott wie ich hier oben ankomme. Ich entgegne ich wäre derzeitig leider überhaupt nicht fit, worauf mir eine Dame entgegnet sie könne nach einem solchen Berg nur schnaufen, ich sogleich völlig normal reden… Hoppla, stimmt … ich schnaufe nicht… Ein Herr macht sich ein wenig über meine Trekkingstöcke lustig; Ich erkläre ihm, dass man diese nutzen sollte so lange die Gelenke noch in Ordnung sind – tun diese erst einmal weh, ist es zu spät (jeden Tag Gymnastik zzgl. einer Tüte Gummibärchen wäre zwar eine Alternative, aber leider nicht für Zähne & Geldbeutel). Und auch die ganzheitliche Bewegung hebe ich hervor, doch eigentlich hätte ich dieser Truppe einen viel längeren Vortrag halten sollen: Aufbau des Trekkingzeltes, beiseite schieben von hochgewachsenen wie Brennnesseln, entfernen von Spinnweben, Allradantrieb bei rutschigem und/oder nassem Untergrund, Überwinden von Matsch & Wasser auf voller Wegbreite usw.; Ich will die Dinger nimmer missen, und würde sie absolut jedem ans Herz legen – um so jünger, um so besser. Apropos Matsch & Wasser auf voller Wegbreite: Verfluchte Mountainbiker… Es gab mal wieder maximal verbreiterte Singletrails, die stellenweise praktisch nicht mehr passierbar waren; Und das, obwohl das Radfahren in diesen Abschnitten verboten ist. Nun will ich nicht explizit über verblödete Radfahrer fluchen, auch unter den Fußgängern gibt es Vollpfosten die z.B. selbst in Wildruhezonen quer durch den Wald pflügen; Wir drängen die Natur nach wie vor noch immer in hohem Tempo zurück – da sollten wir den kläglichen Rest wirklich nicht mehr als unseren persönlichen Abenteuerspielplatz betrachten … sondern mit einer ordentlichen Portion Respekt. Und den lassen sehr viele doch gänzlich missen, leider…

Als es wieder Zeit für eine Rast wird fehlen leider die Bänke, und jene zwei die ich doch am Wegrand vorfinde sehen nicht sehr vertrauenswürdig aus. Mein heutiges Proviant werde ich daher erst am morgigen Tag verzehren. Dafür erreiche ich inmitten eines Waldes einen „Wanderbriefkasten“. Einen was? Ich überlege … in so etwas fand ich schon mal einen Bibel vor … ob die hier die Briefe des Paulus oder so meinen? Meine Neugierde ist geweckt, und ich öffne diesen. Letztlich ist es nichts anderes als ein Wegebuch ohne Hütte. Klar trage ich mich ein. Und den Einträgen anderer Wanderer kann ich entnehmen, dass wirklich niemand meinen „Wanderweg Baden-Württemberg“ bzw. „HW 3“ läuft; Die meisten Fernwanderer befinden sich auf dem ebenfalls hier verlaufenden „Panoramaweg Taubertal“ – oder aber dem Jakobsweg. Am Briefkasten findet sich außerdem ein Thermometer, das mir die heutige Höchsttemperatur verraten sollte: 13°C. Angenehm, wie ich finde; Doch bleibt man stehen, wird es schnell zu kühl.

Kurz vor meinem Etappenziel kommt sie doch noch, die ersehnte Bank. Ich verweile abermals nur kurz, und lese dort geschrieben: „Freiheit … keine Migranten“. Aha. Wer immer das schrieb: Deine Freiheit kommt nicht aus dem nichts – die gibt es nur, weil andere diese für dich erstritten. Freiheit bedingt Verantwortung. Wer Nein zu Migranten sagt, sagt auch Nein zur Freiheit… Eigentlich wollte jenes Lebewesen schreiben „ich will alles, und wenn dafür andere verrecken müssen ist es mir gleich“.

Anyway: Der Bad Mergentheimer Wildpark ist superlativ, und die Gegend schön … so weit war mir diese Region bekannt; Doch auch das Städtchen selbst entpuppt sich als absolut besuchenswert. Ich selbst wandere nun aber schlicht hindurch, denn mein favorisiertes Hotel liegt am anderen Ende der Ortschaft – und zudem noch ein wenig abseits meiner Route… Diese Extratour wählte ich sehr bewusst, denn das Schaffers verspricht a) Nachhaltigkeit, und b) eine richtig leckere Küche. Mein Tacho zeigt stolze 30,7 Kilomoter, als ich dieses wahre Juwel an Hotel erreiche: Alles ist großartig … mein Zimmer, der Service, mein Essen. Gutes Essen macht satt, dieses hier zudem glücklich. Kündigt man sich als Wanderer bei einem Hotel an, geben sie einem gerne das schmuddeligste Zimmer, das sie haben: Der will es ja eh so billig wie möglich (auch beim Essen), und ruiniert womöglich alles. Besser wir sagen „erst ab zwei Nächte“ oder sind ausgebucht, auch wenn es nicht stimmt … all dies oft genug erlebt. Hier aber bin ich willkommen, und ich genieße es. Traurig ist in etwas besseren Hotels aber oft das Publikum, das sich zwar was leisten möchte, aber oftmals eben doch das zugehörige Format missen lässt; Und so schaut aus der Anzugshose hinten eben das irgendwie reingestopfte Hemd raus. Oder schlicht dem „alles-haben-will-Schreiber“ meiner Bank entspricht (O-Ton „ich nehme den Rostbraten, aber von dem bitte nur die Pommes … dazu dann eine Forelle und Champignons, auch wenn die sonst nirgends auf der Karte stehen“). Manchmal tut mir das Personal leid, auch wenn dieses hier jeden Gast souverän meisterte.

Doch welchen Unzulänglichkeiten diese Welt an jenem Tag auch aufzuwarten vermochte: Ich war an diesem Abend vollumfänglich zufrieden.

Bilder

Etappe 02: ein Stück des Weges


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