10. Etappe:Baltmannsweiler – Denkendorf
Video: Etappen 9-11
Checkliste
Region | Schurwald & Fildern |
Länge | 23,1 km |
rauf & runter | ↑ 310 m, ↓ 440 m |
GPX Track | 10.gpx |
Datum | 28.04.2022 |
Wandernotizen
Die Nacht war unruhig. Das Warum sollte mir verborgen bleiben (ich tippe auf das Kopfkissen), doch der unbändige Durst war bemerkenswert; Hatte ich auf meiner gestrigen Etappe nicht ausreichend getrunken? Mein Frühstück war zwar einfacher Natur, aber absolut zufriedenstellend; Lediglich 0815 Schwarztees großer Unternehmen – das ist echt keine Freude. Warum wird solcher Tee überhaupt produziert, wer gießt solche Staubreste freiwillig auf?
Ein kurzer Check vor dem Start: Mein Smarty draußen herrschen lediglich 2,8°C, und zu erwarten hätte ich herrlichsten Sonnenschein. Den sehe ich, aber gut: Packe ich mich erst mal warm ein. 200 Meter weiter verstaue ich Wärmeres sogleich wieder im Rucksack und laufe: Kurzärmelig. Und während gestern meine Hose lediglich die unglücklichere Wahl war, ist sie heute ein Ärgernis: Da scheuert was, und so wie es sich anfühlt, tat sie dies auch schon gestern; Eine Dreifach-Naht ist rauh, was auf kürzeren Etappen bislang unbemerkt blieb, nun aber deutlich spürbar ist. Immer wieder zupfe ich die Hose an eine ein wenig andere Position; Diese geht nie wieder mit auf eine Mehrtagestour.
Über mir bereits bekannte Wege folgen heute die letzten 15 Kilometer durch den Schurwald gen Esslingen. Wohin es denn weiter geht, wurde ich im Hotel gefragt. Nun ja, nach Esslingen, und gegenüber wieder hinauf auf die Fildern; Das sei aber ein ganz heftiger Anstieg, den ich da vor mir hätte – werde ich gewarnt. Ja, das hatte ich schon befürchtet. Doch vor dem Anstieg will erst einmal Esslingen erreicht werden: Es geht auf von Radfahrern, Joggern, Gassigehern und Spaziergängern gut besuchten Waldautobahnen mit Extrabreite für fortschrittliches Waldarbeiten durch einen völlig uninspirierenden Nutzwald. Auch in meinem Landkreis wurde nun beschlossen die Wege derart auszubauen – zum Nutzen der Holzwirtschaft (klar) sowie der Erholungssuchenden (?). Für mich hingegen ist ein solcher Wald wenig reizvoll; Wer sich möglichst energieeffizient auf seinem E-Bike durch den Wald schieben lassen möchte, oder nicht mehr vom Wald erwartet als ein paar Bäume für Bello bzw. mit seinem Rollator auch vom Blaulichtwagen am anderen Ende des "Waldes" erkannt werden möchte, ja dann ist das super; Wer aber "Wald" will wird hier enttäuscht sein – oder aber nichts anderes mehr kennen. Immerhin nimmt die Dichte der Bänke zu.
Als das Ende dieses traurigen Nutzwaldes erreicht ist genieße ich einen grandiosen Blick über das Neckartal. Und das schreibe ich, obwohl ich das Neckartal im Abschnitt Plochingen bis Stuttgart eher gruselig als schön finde: nichts als Industrie, dicht bebaut, begradigt und naturbefreit. Aber doch, hier ist es schön, hier will ich verweilen. Warum nur gibt es hier keine einzige Bank, nichts um auch verweilen zu können? Okay, ein Stück der Wiese ist gemäht und wäre akzeptabel, doch zu dieser einzigen Alternative griff schon eine Gruppe. Also beginne ich sogleich meinen Abstieg; Dieser ist zu meiner weiteren Überraschung richtig schön, gerechnet hatte ich mit langweiligen Wohnstraßen. Unten angekommen darf ich zunächst aber nicht den Neckar queren, um wie gedacht gegenüber wieder aufzusteigen, sondern erst einmal innerhalb Esslingens auf den St. Bernhardt auf- und wieder absteigen. "Okay, da habe ich mir doch ein Eis verdient" denke ich, als ich an der Agnesbrücke angesprochen werde: Sie habe Hunger, ob ich ihr Geld geben würde. Eigentlich sollte niemand Hunger haben, und wer Hunger hat, dem würde ich auch helfen; Aber dann fragt man nach Essen, nicht nach Geld – und verneine; Dennoch überlege ich, ob ich die Fragestellung in diesem Fall wirklich hätte werten sollen: Ich hätte auch sagen können "okay, lass uns Essen gehen" – das hätte Licht ins Dunkel gebracht und solche Zweifel beseitigt. Für den anschließenden Schatten auf meinem Eis sollte allerdings nicht jene Begebenheit verantwortlich zeichnen, sondern eine Eisverkäuferin: Niemals wurde Eis schlechter auf den Eisportionierer befördert, niemals wurde Eis schiefer, unförmiger und weniger gekonnt auf eine Waffel drapiert, und niemals wurde mir eine Waffel so fordernd übergeben, dass der Zahlungsvorgang wegen belegter Hände schwieriger sein sollte; Der erhoffte Genuss wandelte sich in ein hastiges Schlingen, resultierend in klebrigen Fingern; Dass die "Kugeln" sich nicht schon vor Übergabe der Schwerkraft hingaben ist ein echtes Wunder, die Kirche sollte diese Eisverkäuferin unbedingt heilig sprechen.
Nun aber nichts wie raus aus dieser Ortschaft. Eigentlich sollte der Alicensteg über den Neckar direkt auf den Zollberg überleiten, doch: Dieser ist seit Jahren gesperrt, man hat sich schlicht nicht um diesen gekümmert; Nun soll er abgerissen werden, wogegen sich Widerstand formiert; Und das nicht ohne Grund, denn echte Alternativen existieren nicht. Der Alicensteg ist meines Erachtens zwar alles andere als eine Schönheit, doch ziehe ich mein Wissen und Erfahrung heran, dann müsste dieser klar unter Denkmalschutz gestellt, und schon aus diesem Grund erhalten werden. Statt dessen darf ich mich in einem weiten Bogen zur nächsten baufälligen Brücke begeben: Der Brückenrand ist mittels 2,5 Meter hohem Zaun in 3 Metern Entfernung abgesperrt, so dass niemand von der Brücke den Neckar wirklich genießen kann, sondern man diesen schön brav mittig der Brücke schlicht überquert. Die Beschilderung ist ein Chaos: Wie gewohnt in Städten hat das Aufsuchen der Schilder stets Schnitzeljagd-Charakter, doch hier schweben veraltete Schilder leider auch in etlichen Metern Höhe, so dass man sie eben auch von Brücken erblicken kann – ohne Chance, sie demontieren zu können. Ich verlasse mich also auf mein GPS, das sich hier zum Glück als korrekt erweisen sollte.
Der gefürchtete Aufstieg selbst entpuppt sich dann als gemütlicher als erwartet. Schnell stellt man aber auch auf jener Neckar-Seite abermals fest: Fußgänger sind für Esslingens Entscheider nicht wirklich relevant. Doch es folgt auch positives, so zum Beispiel ein großes Volk von Wabenbauern am Ast eines Baumes über dem Weg, oder ein duftender Waldboden mit endlos scheinendem Bärlauch; Und da sehr viel Zeit und wenig Weg übrig ist, nehme ich die nächste Bank für eine ausgiebige Rast.
Berkheim heißt die nun folgende Ortschaft. Gefallen will diese gar nicht, und das Ortsende lässt viel zu lange auf sich warten. Doch dann wird es überraschend großartig: Die letzten Kilometer meiner Etappe würde noch viel mehr entschädigen als nur Esslingen oder Schurwald. Hier erwartete ich die langweilige Filderbenene; Zwar ist es recht eben, aber es geht auf kleinen Pfaden durch einen wunderschönen Wald. Mein Zielort Denkendorf ist dann leider nicht mehr so flach wie der Gang auf der Filderebene vermuten lassen würde: Dank Hanglage steige ich erst ab, um zum Gasthof nochmals aufzusteigen. Der Ochsen ist ein echter Glücksgriff: In der kleinen Gaststube mit wenigen Tischen setzen sich Fremde einfach zu einem; Diese sind hier allerdings nicht wirklich fremd, vielmehr scheinen sich alle zu kennen: Hier kommt die Ortschaft zusammen, hier wird man integriert. Während sich sonst ein fremdes Pärchen ans andere Ende des Tisches setzen würde, hier setzen sie sich zu einem und plaudern. Und das Essen ist zwar keine Molekularküche mit experimentellen Zusammenstellungen, aber von überzeugender, grundehrlicher Qualität kombiniert mit gelungener Zubereitung. Slowfood@Meisterklasse.
Ich prüfe den Wetterbericht, und: Statt weiterem Sonnenschein soll es morgen zuziehen, und übermorgen bis zum Mittag Dauerregen geben, gefolgt von permanenten Schauern. Ich tüftle meine Planung um, um nach drei Tagen abzubrechen. Eine Planung, die ich weder vorsah, noch haben wollte.