19. Etappe:Tuningen – Villingen

Checkliste

RegionBaar
Länge19,7 km
rauf & runter↑ 180 m, ↓ 220 m
GPX Track19.gpx
Datum28.10.2022

 

Wandernotizen

Tuningen mag seine Kirchenglocken – ich nicht. Das Fenster blieb die Nacht über dennoch gekippt, und so war ich stets exakt darüber informiert, wie lange ich noch bis zum Weckruf meines Smarties verharren werde müssen. Mein Frühstück ist vollumfänglich: Abgesehen von der Qualität mancher Zutaten mangelt es an wirklich nichts.

Bei erheblich kühlerer Luft und trübem Himmel starte ich in diese Etappe. Ich erwarte einfacheres und flacheres Gelände – was sich bestätigen sollte. Highlights? Nun, das mir tatsächlich noch unbekannte Schwenninger Moos mit seinem Neckar-Ursprung werde ich endlich erleben dürfen. Und da diese Etappe mit 16 Kilometern doch recht knapp ist plante ich eben dort eine Umrundung mit zusätzlichen 4 Kilometern ein.

Doch schon kurz nach dem Start ist mein Weg versperrt: Auf geschätzten 300 Metern gehört dieser nunmehr zur Kuhweide – etwa 1.500m² zusätzliches und diesen Sommer sicher dringend benötigtes Futter. Der zugehörige Landwirt hat aber an mich Wanderer gedacht: Ein Schild mit Verhaltensregeln findet sich ebenso wie die Möglichkeit zum Betretens des Geländes – man darf durch. Super! Doch versammelt sich just jetzt die Herde mitsamt Jungtieren exakt auf meinem Weide-Weg. Ich verfüge über einen gesunden Respekt jenen Geschöpfen gegenüber, mit denen ich sonst so rein gar nichts zu tun habe; Auch weiß ich: Schuhe und Hose werden nach dem Durchqueren dieser Landschaft erheblich dreckiger sein, und besser als auf deren Salatplatte zu wandern und deren Ruhe zu stören wäre eine Alternative. Ein Blick auf die Karte sagt mir: 200 Meter nördlich kann ich dieses Gelände ganz einfach umgehen, und schlage einfach diesen Weg ein.

Die Beschilderung führt das gestern einsetzende Trauerspiel konsequent fort, doch unerwartet erblicke ich ein Zeichen des Ostwegs; Überhaupt: einige der Wegweiser anderer Routen stammen nun vom Schwarzwaldverein, und nicht mehr vom Albverein. Ich aber darf mich den restlichen Tag an dieses Ostwegzeichen halten – und dies, obwohl der HW 3 eigentlich noch gar nicht beendet ist.

Während ich noch rätsele ob mich nun tatsächlich Regentropfen erreichten ist das Schwenninger Moos rasch erreicht. Doch der Weg dort hin wurde verlegt: Während ich bei meiner planerischen Umrundung nur ein paar hundert Meter doppelt marschiert wäre, würde es nun doch ein wenig mehr doppelte Wegstrecke. Ich wäge kurz eine Erhöhung der Erholung vom gestrigen Tag gegenüber einer Erhöhung der heutigen Anstrengungen ab, und schreite zur verlängerten Umrundung: 10:30 Uhr ist einfach zu früh für über 50% der Wegstrecke.

Es sollte eine gute Entscheidung sein, denn was sowohl mein Fernwanderweg, als auch der Ostweg vom Schwenninger Moos einbinden ist schlicht genau der falsche Abschnitt: Diese zusätzlichen Kilometer sind, was man hier erleben möchte – und auch für eine ausgiebige Rast nutzen sollte. Ein tolles Gebiet, das nicht ohne Grund unter Naturschutz steht. Warum man hier auf beiden Fernwegen nicht per Default auf diesen Abschnitt gelotst bleibt mir verborgen. Noch während ich diesen Flecken bestaune klart der Himmel ein wenig auf, und im zarten, neuen Sonnenlicht erstrahlt dieses Naturjuwel nochmals schöner. Wow!

Zwei Wildgehege hätten gerne weitere Stunden schlucken dürfen, doch auf meinem Weg finden sich dort keine Bänke zum verweilen; Da ich zudem keine gute Sicht auf die Tiere hatte beschloss ich an diesen einfach vorbei zu laufen. Ich erreiche den Aussichtsturm Wanne, ein 30 Meter hoher und 1888 erbauter Stahlfachwerkturm; Erinnerungen an den älteren Bruder auf der Büchenbronner Höhe (Mittelweg) werden wach: Jener ist zwar etwas niedriger, schwankt aber merklich, und ist eine kleine Herausforderung zu besteigen. Diesen hier möchte ich dennoch nicht auslassen, und…: Ja, gleiche Bauart. Und ja, auch hier passen meine Stiefel im oberen Segment kaum mehr auf die Stufen, festhalten ist beim Auf- und Abstieg angesagt, den Rucksack mag man oben angekommen nicht wirklich absetzen, und lange verweilen mag man dort oben auch nicht, aber: Er steht deutlich stabiler als sein Bruder im Norden. Doch die gebotene Aussicht rückt heute leider vermehrt städtisches Gelände in den Fokus.

Und trotz gewaltigem trödeln und ausgedehnten Pausen: Auf diesem 20 Kilometer langen Spaziergang erreiche ich noch vor 14:30 Uhr mein Ziel: Villingen. Der Hauptwanderweg&nbasp;3 des Albvereins ist somit vollständig abgeschlossen, ab morgen geht es in den Schwarzwald. Mein Hotel ist rasch gefunden, doch das Gebäude mitsamt Rezeption zu dieser frühen Stunde noch verschlossen. Doch ich habe eine PIN für den Schlüssel-Save, und der „Selbst-CheckIn“ mit diesem gelingt einwandrei. Schön! Im Gebäude bemerke ich einen mir wohl bekannten Geruch: So riecht ein Gebäude, in dem es brannte. Schlimm? Nein. Nach der Dusche beschließe ich Villingen zu erkunden – schließlich muss ich noch ein Lokal für mein Abendessen wählen (mein Hotel bietet keine Gastronomie). Und ein Eis wäre auch fein. Also nix wie los:

Während ich mich umsehe erblicke ich eine Eisdiele und nehme für einen Schokobecher Platz. Sehr viel der bislang gefundenen Gastronomie besitzt eher Kantinen- bzw. Imbiss-Charakter statt dem Flair eines Restaurant; Dies muss kein Nachteil sein, doch mir schweben heute schon mehrere gediegene Gänge, statt einer Salatbar oder einem simplen Pastagericht vor. Letztlich entscheide ich mich für ein kleines Lokal mit Balkanküche. Und während ich durch die Innenstadt schlendere werde ich mehrfach angesprochen, darunter ein Greenpeace-Stand. Was sie wollen? Ich weiß es wirklich nicht, vielmehr steige ich sogleich in eine Diskussion ein in der ich erkläre zunehmend weniger den Bürger in der Pflicht zu sehen als die Politik: Es nützt schlicht nix wenn manche Gutmenschen sich am asketischsten Leben überhaupt versuche, während der Rest der Welt nur noch weiter aufdreht. Frustriert? Nö, die Welt ist toll, sehe ich ja beim Wandern; Nur um die Menschheit steht es nicht zum Besten, aber die haben sich so entschieden: Den Rahmen des menschlichen Lebens, das Über- und Zusammenleben zu gestalten ist die absolute Kernaufgabe der Politik, doch die längst existentielle Umweltthematik scheint weit hinter allen kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen anzustehen, egal in welche Höhen der Wohlstand wächst. Für mich seit weit über 40 Jahren sehr eindeutig zu beobachten.

Nach meinem gelungenen Abendessen schlappe ich abermals am Greenpeace-Stand vorbei, und werde abermals von gleicher Person abgefangen, die wohl neugierig auf meine Ausführungen und Erfahrungen geworden ist. Ich unterhalte mich fasziniert mit ihr, und wir verquatschen eine volle, doch leider auch viel zu kurze Stunde. Auf solchen Wegen passiert viel, und manchmal trifft man auch auf wahrlich besondere Menschen.

Danke, Clara!

Bilder

Etappe 19: Schwenninger Moos Etappe 19: Schwenninger Moos Etappe 19: Aussichtsturm Wanne


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